Archiv für den Monat Juli 2014

Keine Zeit für Trauer


 

022

 

Seit 3 Wochen bin ich nun wieder arbeiten..Die Zeit läuft, aber ich bleibe stehen.  Ich wünschte mir so sehr, endlich anfangen zu dürfen zu trauern/ verarbeiten zu können, dass meine kleine Motte nicht mehr wiederkommt. Möchte trauern. Aber da ist der Job, die Schule, die Dinge, die erledigt werden müssen. Keine Zeit, Trauer zuzulassen. Und dann erwischt es Dich in den letzten 2 Stunden bevor Du ins Bett gehst. Du fängst von einem Moment auf den anderen an so zu heulen, dass Du denkst, Dir platzen die Augen. Manchmal 2 Stunden lang, manchmal  1 Stunde, manchmal 15 Minuten. Dann schläfst Du eventuell irgendwann ein. Doch auch nachts wachst Du schweissgebadet auf und das erste was Dir in den Kopf schiesst ist: „Sie ist tot. Sie kommt nie wieder!“  Dann gibt es zwei Szenarien:

Entweder: schläfst Du nach 1 Stunde wenn Du Glück hast wieder ein- dann ist es 4:20 Uhr . Eine Stunde später klingelt der Wecker.

Oder: Du schläfst nicht wieder ein und weinst, bis der Wecker klingelt.

Dann stehst Du auf, „reparierst“ das Gesicht so weit es geht, stehst auf der Arbeit und tust mal wieder so, als wäre alles „normal“. Während die Sehnsucht in Dir tobt wie ein Fegefeuer.

Es ist eher das „oder“, was den Alltag gestaltet. Zu wenig Schlaf, zu wenig Zeit für die Trauer. Und die bekloppten Sätze der anderen Sätze wie:

„Man darf sich davon nicht runterziehen lassen.“

oder „Ist ja jetzt schon ne Weile her.“

oder  oder oder oder….

Der Dummheit sind keine Grenzen gesetzt. Oder drücken wir es anders aus: der Unwissenheit der anderen sind keine Grenzen gesetzt. Aber wieso sollte ich Ratschläge von Menschen annehmen, die KEINERLEI Ahnung haben, wie es jmd. geht, der sein Kind verloren hat?! Ich habe sowieso schon zu wenig Zeit, trauern zu können und die wenge Zeit und die wenigen Momente lasse ich mir nicht nehmen. Von Niemandem.

Sehnsucht
Sie brennt so unheimlich stark- jede Sekunde deines Lebens.
Sie frisst sich in Dich hinein..
Wie ein Schuh aus Nägeln, in denen man 24 Stunden laufen muss.
Salbenverbände gibts dafür nicht.
Heilung auch nicht.
Sie zerfrisst Dich- wie ein ausgehungertes Wildtier.
Es nagt an Dir, an Deiner Seele.
Und nichts kann es stoppen.
Man wird den Schmerz nicht los, egal was passiert.
Nun lauft mit unseren Schuhen, mit dieser Sehnsucht im Herzen und dem tiefen Wunsch, dass alles wieder so ist wie vor dem Tod unseres Kindes und der Gewissheit, dass es nie wieder so werden wird.
Wärt ihr stark genug dafür?

Nein?
Wir auch nicht, aber wir müssen!

Step by Step….


Wieder ein Tag vorbei.. ich schlage mich tapfer…

Und immer wieder holt mich das Gefühl der Endgültigkeit ein: Es ist jetzt so, wie es ist. Bis ans Ende aller Tage. Sie kommt nie mehr zurück. Ich werde sie nie mehr in den Arm nehmen können, sie nie mehr küssen, riechen oder spüren können.. Dieses Gefühl, diese Sehnsucht wird jeden Tag stärker! Und man kann sie nur schwer verdrängen.. der Wunsch, dass viele Menschen dies lesen und sie in ihren Herzen tragen wird ebenfalls stärker. Ich möchte die Erinnerung an sie so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen. Es ist mit den Bildern das Einzige, was mir geblieben ist.

Draussen stürmt es und ich bin genau wegen solchen Tagen so froh, dass wir für Motti ein Urnengrab gewählt haben. So ist sie all dem nicht ausgesetzt..

Jeder Tag ohne sie zieht sich wie Kaugummi in der Sommersonne.. es tut jeden Tag mehr weh. Man verändert sich. Ich trage die Trauer in mir. Und die Wut. Sie brennen. Und ich kann nichts dagegen tun. Am liebsten würde man mit jedem Menschen Streit anfangen.. weil man niemanden hat, dem man die Schuld geben kann. Schuld daran, dass die Welt stehen bleibt, dass man so leben muss, während alle anderen glücklich sind… Schuld an dem IST-Zustand trägt keiner.. aber man wünscht es sich… insgeheim.. und die Gesellschaft fordert eine Normalität… dabei ist man selbst erst gerade dabei, die Ausmaße dieses Tsunamis zu begreifen. Zeit verändert seine Bedeutung. Was sind schon 8 Wochen? Was ind 10 Jahre? Nichts. Denn der Schmerz bleibt.

Tiefschläge, Frustrationen, Sorgen im Alltag werden zu Wellen, die Dich immer wieder herumwirbeln und gegen die Du täglich weniger Kraft hast…An solchen Tagen ist man diesem Schmerz und der Verzweiflung so hilflos ausgeliefert.. möchte fliehen davor, merke aber, dass ich in einem Schuhkarton aus Beton gefangen bin.. weder vor noch zurück, noch rechts oder links ein Entkommen möglich.. und ich werde wütend.. dass wir all das erleben müssen.. und ich tobe rum in meinem Schuhkarton, trete gegen die Wände, schreie rum.. Irgendwann ist man müde davon, gegen etwas zu kämpfen, dass so viel stärker ist. Und du setzt dich auf den Boden und wartest, bis irgendwer/irgendwas den Deckel aufmacht und dich wieder für ein paar Stunden rauslässt.. aber die Trauer bleibt!

Und dann stehst Du wieder auf und alles fängt von vorne an… Welch ein schlechter Blog heute- aber es wird so gepostet, wies geschrieben wurde in dem Moment- das ist MEINE eigene Regel.. Ich hoffe, dass der nächste positiver wird;)

 

 

 

 

Zeitgefühl und Frustration


Heute genau vor 8 Wochen- oder vor

5341919 Sekunden

oder

89031 Minuten und 59 Sekunden

oder

1483 Stunden, 51 Minuten und 59 Sekunden

oder

61 Tage, 19 Stunden, 51 Minuten und 59 Sekunden

oder

8 Wochen, 5 Tage, 19 Stunden, 51 Minuten und 59 Sekunden

oder

2 Monaten, 19 Stunden, 51 Minuten und 59 Sekunden..

…hast Du den letzten Atemzug in unseren Armen gemacht..

Ging die Zeit schnell vorbei? Oder kam es einem wie eine Ewigkeit vor? Mal so, mal so….Kommt auf den Tag drauf an. An manchen Tagen möchte man einfach sterben. An manchen Tagen will man nicht das wegwerfen, wofür Du soooo lange gekämpft hast, als wärs erst gestern gewesen…… Und man hat die Bilder wieder alle vor den Augen. Es tat so weh, nichts tun zu dürfen!!! Ich hätte Dich so unendlich gern zu uns zurückgeholt. Stattdessen MUSSTEN wir einfach zusehen. Und ich war so unendlich wütend… Nichts tun zu dürfen, keinen Schuldigen zu haben, den ich für all das hassen konnte.. Dich einfach sterben lassen zu müssen…. Oh wie ungerecht ist die Welt!!!!

Und es tut immer noch weh. Jeden Tag ein Stück mehr.

Und da kann sich NIEMAND ein Urteil erlauben, der das nicht erlebt hat.

Ihr geht nicht durch die Hölle! Von euch erwartet man nicht, wieder „normal“ zu sein, nachdem euer Herz mit mehreren Schüssen bombadiert wurde. Ihr lebt weiter- wie immer. Von uns ist ein großer Teil gestorben. Und wir möchten traurig sein!! So lange wir es brauchen. Wir haben gute und schlechte Tage. Wenn ihr uns nicht versteht- Pech! Denn wir haben gerade genug mit uns selbst zu tun. Wir können uns nicht noch um euch und um das, was ihr über uns denkt kümmern. Es ist uns sowieso Scheiss egal.

Und es gibt Phasen, in denen ihr uns egal seid. Ja, traurig aber wahr. In diesen Phasen sucht man Trost bei denen, die durch die gleiche Hölle gehen. Weil man sich bei anderen nicht verstanden fühlt. Weil es den meisten lästig ist, immer nur über „das tote Kind zu sprechen“.  Aber in uns leben sie weiter. Durch uns. Wir müssen über sie reden! Lasst uns einfach Distanz und Nähe zulassen, wie wir es brauchen, anstatt sich über uns den Kopf zu zerbrechen oder sich das Maul über das, was wir tun oder auch nicht tun zu zerreissen.

Wir sind Glasfiguren geworden. Zerbrechlich.

Wir sind dünnhäutig geworden. Manch falsches Wort zerschneidet unsere Haut.

Wir müssen trauern können und brauchen Zeit. Lasst uns die Zeit..

Wir haben uns verändert. Nehmt uns so an.

Wir sind frustriert und wütend.

Wir können uns nicht immer für euch freuen.

Wir werden nie wieder ohne Trauer leben können. Akzeptiert das.

Wir sind keine Aussätzigen- wir sind nur anders. Nehmt uns so, wie wir jetzt sind.

Wenn ihr das nicht könnt- seid fair und geht.

Wir sind Kummer gewohnt.